Von Attila Teri
Journalist und Forumsmitglied
Veröffentlicht in der Jüdische Rundschu 5.8.2016
Ich wollte gerade eigentlich schlafen gehen. Immerhin war es schon fast 2 Uhr nachts. Bis ich dann zufällig bei Facebook auf ein Posting von Sacha Stawski gestoßen bin. Er ist Präsident und Chefredakteur von Honestly Concerned e. V., einer Initiative und Internetplattform, die seit Jahren gegen die unfaire Medienberichterstattung im Zusammenhang mit Israel und Nahost-Themen kämpft.
Darin verbreitete er eine Pressemittelung des Auswärtigen Amtes vom 27. Juli. Ein Zitat aus seinem Kommentar dazu: „Auch in Zeiten wie diesen hat das deutsche Auswärtige Amt nichts Besseres zu tun als Israel einmal mehr an den Pranger zu stellen........ Ach wäre es so schön, wenn man bei der Verurteilung der immer wieder vorkommenden Terroranschläge auf Israelis nur halb so achtsam wäre...!“ Nach der Ansage blieb mir natürlich nichts anderes übrig, als die Pressemitteilung zu lesen. Ein grober Fehler, wie sich noch herausstellen sollte...
„Die israelischen Ankündigungen der letzten Tage, die Entwicklung von insgesamt über 1.000 Wohneinheiten in Siedlungen in Ost-Jerusalem und den daran angrenzenden Teilen des Westjordanlands voranzutreiben, betrachten wir mit größter Sorge. Die Bundesregierung hat ihren Standpunkt immer wieder klar zum Ausdruck gebracht: Der Siedlungsbau in den besetzten Gebieten verstößt gegen Völkerrecht. Siedlungen behindern die Möglichkeit eines Friedensprozesses zusätzlich und gefährden die Grundlagen der Zweistaatenlösung. Erst kürzlich hat das auch das Nahost-Quartett in seinem Bericht betont. Wir nehmen die Empfehlungen des Berichts sehr ernst und erwarten von den Parteien, dass sie Maßnahmen unterlassen, die die Zweistaatenlösung untergraben.“
Wer kennt es nicht? Wenn plötzlich das Gefühl der Übelkeit und des Brechreizes von ganz tief aus dem Inneren der Magengrube hochsteigt? Dann ist es wohl aus mit der erhofften Nachtruhe. Nachdem ich mich eine gute halbe Stunde in diesem prä-vomitären Zustand herumgewälzt habe, wollte ich zumindest den Schlaf meiner Gattin nicht stören. Es reicht schon, wenn der oberste Berufspsydohumanist der Republik und fleischgewordenes Denkmal der Betroffenheit, Außenminister Steinmeier meinen eigenen Schlaf raubt.
So stieg ich aus dem Bett, setze mich an meinen Laptop und beschloss Steinmeier einige Fragen zu stellen, die er vermutlich niemals beantwortet. Und wenn, dann wahrscheinlich nur mit Geschichten, die anmuten wie eine Märchenstunde, und die nicht einmal meine 4-jährige Nichte glauben würden.
Sehr geehrter Herr Außenminister!
Sie sind also besorgt über 1.000 neue Wohneinheiten in „Siedlungen in Ost-Jerusalem und den daran angrenzenden Teilen des Westjordanlands“ und über die Untergrabung des Friedensprozesses durch Israel? Wenn ich es nicht besser wüsste, hielte ich Ihre Pressemitteilung eher für einen nett gemeinten Scherz – sozusagen einen Versuch, die getrübte Stimmung der letzten Tage etwas aufzulockern. Aber ich weiß es besser! Zu meinem und Ihrem Leidwesen! Und so hätte ich da ein paar Fragen. Denn nicht nur meine Nichte, auch ich glaube nicht an Märchen!
Seien Sie doch bitte so freundlich und erklären Sie mir zum Beispiel, warum es Sie anscheinend nicht im geringsten zu stört, dass der „strategische Partner“ ihrer Partei, die Fatah, Terroristen, die unschuldige Juden Tag für Tag angreifen und versuchen kaltblütig zu ermorden, als Märtyrer ehrt, ihren Familien Rente zahlt und die Anschläge für völlig legitim hält!
Warum verlangen Sie nicht von Abbas, die Unterstützung des Terrors mit sofortiger Wirkung einzustellen?
Warum finanzieren Sie diese Politik der Fatah weiterhin aus EU-Mitteln?
Warum dulden Sie, dass an Schulen der sogenannten „palästinensischen“ Selbstverwaltung aus Büchern gelehrt wird, in denen Israel nicht existiert?
Warum stört es Sie nicht, dass Abbas immer wieder stolz verkündet, dass er auf dem Gebiet eines möglichen „palästinensischen“ Staates keinen einzigen Juden duldet, während in Israel über 1,7 Millionen Araber als Staatsbürger mit allen Rechten und Pflichten leben?
Warum überweisen Sie Jahr für Jahr weiterhin Abermillionen an die Fatah, obwohl es erwiesen ist, dass diese Hilfsgelder zum größten Teil nicht bei der Bevölkerung landen, sondern nur der Aufrechterhaltung des korrupten Systems dienen, die seinerzeit schon Arafat implementiert hat?
Warum beschäftigen Sie sich nicht damit, dass Abbas es ablehnt, sich ohne Bedingungen an den Verhandlungstisch zu setzen?
Da fällt mir gerade nebenbei ein: Es ist schon 11 Jahre her, als Arik Scharon den Gazastreifen einseitig geräumt hat. Ohne Bedingungen! Womit der ehemalige sogenannte Falke ein Zeichen des guten Willens setzen und seine Bereitschaft zu einer umfassenden Lösung des Nahostkonfliktes zeigen wollte. Er hat damals gar die Spaltung der israelischen Gesellschaft in Kauf genommen, nur um endlich Frieden zu schaffen zwischen Juden und „Palästinensern“. Ich war damals mitten drin und drehte zwei Wochen vor dem Abzug eine Reportage für Focus TV in Gusch Katif, dem Zusammenschluss von 16 jüdischen Siedlungen im südlichen Gazastreifen.
Ich sprach auch mit vielen „Palästinensern“, die dort seit Jahren gearbeitet haben und dachte, sie veranstalten sicher Freudentänze wegen des bevorstehenden Verschwindens der angeblich so verhassten jüdischen Siedler. Umso größer war meine Überraschung, als sie fast einhellig meinten, es sei eine Katastrophe. Sie waren felsenfest davon überzeugt, dass ihre fanatischen Brüder und Schwester alles zerstören werden und weder von den Häusern, noch von den Gewächshäusern und anderen landwirtschaftlichen und industriellen Anlagen etwas heil übrigbleiben wird. Angsterfüllt überlegten sie, wie sie überleben sollten, wenn die Juden tatsächlich weg sind.
Naiv, wie ich damals noch war, nahm ich ihre Warnungen nicht für bare Münze und war mir sicher, dass sie übertreiben, der Abzug sei richtig und schlägt endlich ein neues Kapitel in den festgefahrenen Beziehungen auf. Aus heutiger Sicht eine ganz schön idiotische Vorstellung. – Aber im nachhinein ist man ja bekanntlich immer schlauer.
Denn bis heute verfolgt die Hamas, die erst durch Wahlen und anschließend durch einen blutigen „Bruderkrieg“ mit der Fatah, die Macht im Gazastreifen übernommen hatte, nur ein Ziel: die Vernichtung Israels! Ein kleiner Auszug aus Artikel 6 der Charta der Hamas:
„Die islamische Widerstandsbewegung ist eine eigenständige palästinensische Bewegung, (...), die dafür kämpft, dass das Banner Allahs über jeden Zentimeter von Palästina aufgepflanzt wird.“
Weiter heißt es im Artikel 13:
„Ansätze zum Frieden, die sogenannten friedlichen Lösungen und die internationalen Konferenzen zur Lösung der Palästinafrage stehen sämtlich im Widerspruch zu den Auffassungen der islamischen Widerstandsbewegung. Denn auf irgendeinen Teil Palästinas zu verzichten bedeutet, auf einen Teil der Religion zu verzichten.“
Ich möchte mich an dieser Stelle bei Ulrich Sahm bedanken, der Auszüge auf deutsch im Internet zur Verfügung gestellt hat. Der Link zum Nachlesen: http://usahm.info/Dokumente/Hamasdeu.htm
Wie ernst es die selbsternannten Gotteskrieger damit meinen, zeigen die unzähligen Mordkommandos, die immer wieder versuchen nach Israel einzusickern genauso, wie auch die weit über 15.000 Raketen, die in den letzten Jahren aus Gaza auf Israel abgeschossen wurden.
Verehrter Herr Außenminister!
Haben Sie jemals diese Charta der Hamas gelesen?
Wenn nicht, sollten Sie dies dringend tun. Falls Sie es doch getan haben, ist es umso schlimmer!
Warum verlangen Sie nicht von der Hamas ihre Charta zu ändern, das Existenzrecht Israels anzuerkennen und den Terror und den bewaffneten Kampf endlich einzustellen?
Und zu guter Letzt, da ich Ihre knappe Zeit nicht zu sehr in Anspruch nehmen möchte, noch eine kleine Frage zu ihrem ruhmreichen „Nahost-Quartett“. Für alle, die jetzt versehentlich an Kammermusik denken sollten, sei klargestellt: Nein! Es geht nicht um Musik! Wenn, dann höchstens um eine neue Stufe der „Stalinorgel“. Die „niedliche“ Versammlung besteht aus den USA, EU und UNO, die seit über fünf Jahren beim Massenmord und völliger Zerstörung in Syrien mehr oder weniger tatenlos zusehen und Russland, das aktiv dafür sorgt, dass Assad weiterhin sein Volk scheibchenweise auslöscht.
Wie kann es denn sein, dass Häuser, die gebaut werden sollen, Ihnen mehr Sorgen bereiten, als Städte, die in Schutt und Asche gelegt werden und unter den Trümmern auch die Hoffnung ihrer Bewohner auf ein menschenwürdiges Leben begraben?
Da ich ein seriöser Journalist und kein Märchenerzähler bin, ist es meine Pflicht Ihnen die Möglichkeit zu geben, zu antworten. Und so frage ich Sie!
Was nu, Herr Steinmeier?